Dienstag, 3. März 2015

Innenansichten

Wir haben vergangene Woche eine Art Freibrief erhalten. Ausgestellt hat ihn – natürlich nur mündlich, aber äußerst verlässlich klingend – die Mitarbeiterin der Denkmalpflege in Stendal. Der Freibrief lautet auf straffreien Herausriss aller neueren Einbauten, Draufklebungen, Verkleidungen und ähnlichem Murks, die ab sagen wir mal grob 1850 irgendwie in dieses Haus gekommen sind.
Wir haben also losgelegt. Das Ergebnis ist ein Haufen, ein riesiger Haufen. Falsch: Viele Häufen: Bauschutt. Elektroschrott. Holz. Und der größte Haufen Mischabfall. Das wird teuer. Das Positive: Hier und da ist das Haus schon viel luftiger, weil die muffigen 70er Jahre Wandschränke raus sind. Bei der ganzen Herausreisserei ist sogar etwas entstanden, das man anderswo wohl Kunst nennen würde. Kunst an der Baustelle, sozusagen. Als wir es gesehen haben, mußten wir wirklich lachen. Und sind ganz ganz sicher: Das ließe sich der geneigten Kunstwelt als ein Ai Weiwei verkaufen. Dabei war's einfach der Gatte, der die DDR-Deckenverkleidung abgerissen hat. 


Unbehandeltes Holz legen wir beiseite und verarbeiten es zu schlundgerechten Stücken für die Kachelöfen in unserer Wohnung. Nun hat der liebe Gott aber wohl gewollt, dass wir es nicht ganz so leicht haben. Deshalb hat er den Leuten, die die Deckenverkleidung angebracht haben, viele Nägel in die Hand gegeben – aber wenig Zielgenauigkeit. Bevor wir nun also das Holz in ofenlochgerechte Stücke sägen können, müssen wir diese Nägel herausziehen. Alle. Fast alle. Meine Güte, allein der Schrottwert! Davon können wir uns... ja, also, äh: Ein Eis kaufen. Das Nägelziehen erledigt mit einer Engelsgeduld, einem Kuhfuß und einem Hammer –richtig: Der Schwiegervater. Und der mag am liebsten Schokoeis.
Allerdings muss man sagen, dass beim Abtragen eben jener Einbauten – leider, leider, leider – noch nicht so viel Spannendes zutage getreten ist. Hier und da verbirgt sich hinter einer Tapete aus den 90ern (weiß-silber-wolkig) eine Tapete aus den 70ern (beige-braun), vor einer aus den 1890ern (Rosen), die auf einer aus dem Biedermeier haftet (auch Rosen). Keine Ahnung, wieso  zwischen 1890 und 1970 anscheinend niemand tapezieren mochte. 
Was wir sonst gefunden haben? Ein paar Stühle auf dem Dachboden, DDR-Ofenkacheln, viele Deckenleuchten (drei davon schön), 70er Jahre Fliesen, eine Kloschüssel und nochmehr Sachen, bei denen sogar uns die Fantasie fehlt, was man damit machen könnte. Es wäre eigentlich schön, Fundstücke aus dem Haus weiterverwenden zu können, sie quasi mitzunehmen in sein nächstes Leben. Aber bislang ist uns noch kein richtiger Schatz in die Hände gekommen. Zur Diskussion stehen drei oder vier Stühle, die drei angesprochenen Lampen und ein wohl 100-jähriges keramisches Ausgussbecken, dem ich – sobald es wärmer ist – mal mit Putzmittelunterstützung die Frage stellen werde, ob es noch ein bisschen bei uns bleiben möchte.


Aber nochmal zurück zur Denkmalpflegerin. Ich glaube, die Frau hat nicht sooo oft mit Antragstellern (so deutsch, dieses Wort) zu tun, die so ein Denkmal wirklich mit ganz ganz viel Respekt behandeln wollen, sich in baulichen Fragen echt auskennen und vor allem: Die ihr feine Zeichnungen mitbringen. Ich selber kann ja gar nicht zeichen, nicht einen schönen Strich. Nicht einen. Sieht immer hässlich aus. Der Kunstunterricht machte mir erst Spaß, als wir uns mit Konstruktionsprinzipien romanischer und gothischer Kirchen befassten. Egal. Der Gatte jedenfalls kann zeichnen. Und wie! Und er hatte die Zeichnungen der Eingangstüren dabei. Aus meiner Sicht besser als der Ai Weiwei vom Deckenabriss – schon weil auf Dauer eher eine Zierde im Haus selbst. Ehrlich, ich glaube wenn wir mit dem allen hier durch sind und Wände haben, an die man Bilder hängen kann, dann kommt das Bild der Haustür, wunderbar gerahmt, an die Wand. Jawoll!


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