Donnerstag, 19. März 2015

Züglete

Liebe Mitleser,

mein Blog ist umgezogen. Das hat hauptsächlich ästhetische Gründe, ist aber wie jede Züglete eine anstrengende Angelegenheit... bis man sich im neuen Heim erstmal eingerichtet hat – meine Güte!

Kurz und gut: Ihr findet alle alten und bald auch ganz viele neue Tagebucheinträge ab sofort und künftig nur noch auf


See you there ... und gerne auch ganz echt und physisch hier in Havelberg!



Dienstag, 3. März 2015

Innenansichten

Wir haben vergangene Woche eine Art Freibrief erhalten. Ausgestellt hat ihn – natürlich nur mündlich, aber äußerst verlässlich klingend – die Mitarbeiterin der Denkmalpflege in Stendal. Der Freibrief lautet auf straffreien Herausriss aller neueren Einbauten, Draufklebungen, Verkleidungen und ähnlichem Murks, die ab sagen wir mal grob 1850 irgendwie in dieses Haus gekommen sind.
Wir haben also losgelegt. Das Ergebnis ist ein Haufen, ein riesiger Haufen. Falsch: Viele Häufen: Bauschutt. Elektroschrott. Holz. Und der größte Haufen Mischabfall. Das wird teuer. Das Positive: Hier und da ist das Haus schon viel luftiger, weil die muffigen 70er Jahre Wandschränke raus sind. Bei der ganzen Herausreisserei ist sogar etwas entstanden, das man anderswo wohl Kunst nennen würde. Kunst an der Baustelle, sozusagen. Als wir es gesehen haben, mußten wir wirklich lachen. Und sind ganz ganz sicher: Das ließe sich der geneigten Kunstwelt als ein Ai Weiwei verkaufen. Dabei war's einfach der Gatte, der die DDR-Deckenverkleidung abgerissen hat. 


Unbehandeltes Holz legen wir beiseite und verarbeiten es zu schlundgerechten Stücken für die Kachelöfen in unserer Wohnung. Nun hat der liebe Gott aber wohl gewollt, dass wir es nicht ganz so leicht haben. Deshalb hat er den Leuten, die die Deckenverkleidung angebracht haben, viele Nägel in die Hand gegeben – aber wenig Zielgenauigkeit. Bevor wir nun also das Holz in ofenlochgerechte Stücke sägen können, müssen wir diese Nägel herausziehen. Alle. Fast alle. Meine Güte, allein der Schrottwert! Davon können wir uns... ja, also, äh: Ein Eis kaufen. Das Nägelziehen erledigt mit einer Engelsgeduld, einem Kuhfuß und einem Hammer –richtig: Der Schwiegervater. Und der mag am liebsten Schokoeis.
Allerdings muss man sagen, dass beim Abtragen eben jener Einbauten – leider, leider, leider – noch nicht so viel Spannendes zutage getreten ist. Hier und da verbirgt sich hinter einer Tapete aus den 90ern (weiß-silber-wolkig) eine Tapete aus den 70ern (beige-braun), vor einer aus den 1890ern (Rosen), die auf einer aus dem Biedermeier haftet (auch Rosen). Keine Ahnung, wieso  zwischen 1890 und 1970 anscheinend niemand tapezieren mochte. 
Was wir sonst gefunden haben? Ein paar Stühle auf dem Dachboden, DDR-Ofenkacheln, viele Deckenleuchten (drei davon schön), 70er Jahre Fliesen, eine Kloschüssel und nochmehr Sachen, bei denen sogar uns die Fantasie fehlt, was man damit machen könnte. Es wäre eigentlich schön, Fundstücke aus dem Haus weiterverwenden zu können, sie quasi mitzunehmen in sein nächstes Leben. Aber bislang ist uns noch kein richtiger Schatz in die Hände gekommen. Zur Diskussion stehen drei oder vier Stühle, die drei angesprochenen Lampen und ein wohl 100-jähriges keramisches Ausgussbecken, dem ich – sobald es wärmer ist – mal mit Putzmittelunterstützung die Frage stellen werde, ob es noch ein bisschen bei uns bleiben möchte.


Aber nochmal zurück zur Denkmalpflegerin. Ich glaube, die Frau hat nicht sooo oft mit Antragstellern (so deutsch, dieses Wort) zu tun, die so ein Denkmal wirklich mit ganz ganz viel Respekt behandeln wollen, sich in baulichen Fragen echt auskennen und vor allem: Die ihr feine Zeichnungen mitbringen. Ich selber kann ja gar nicht zeichen, nicht einen schönen Strich. Nicht einen. Sieht immer hässlich aus. Der Kunstunterricht machte mir erst Spaß, als wir uns mit Konstruktionsprinzipien romanischer und gothischer Kirchen befassten. Egal. Der Gatte jedenfalls kann zeichnen. Und wie! Und er hatte die Zeichnungen der Eingangstüren dabei. Aus meiner Sicht besser als der Ai Weiwei vom Deckenabriss – schon weil auf Dauer eher eine Zierde im Haus selbst. Ehrlich, ich glaube wenn wir mit dem allen hier durch sind und Wände haben, an die man Bilder hängen kann, dann kommt das Bild der Haustür, wunderbar gerahmt, an die Wand. Jawoll!


Sonntag, 22. Februar 2015

Havelberg/PR


Ich weiß es schon: Jetzt muss ich beide Seiten erstmal aufklären. Zuerst die Schweizer: Das PR steht für Prignitz, jener zum Bundesland Brandenburg gehörende Landstrich, in dem Havelberg historisch und emotional liegt – und nicht etwa in der Altmark (Bundesland Sachsen-Anhalt), zu der es laut deutscher Gebietsgliederung und Verwaltungszuordnung gehört. Aber es gibt ja Möglichkeiten zivilen Ungehorsams, um Mißfallen auszudrücken: Viele Einheimische haben sich kürzlich auf einem ganz legalen Wege für die Abgrenzung vom Landkreis Stendal und damit von der Altmark entschieden, indem sie sich ein Autokennzeichen mit HV machen liessen, als das wieder möglich war. Ging nämlich seit 1994 nicht mehr, ab da gab's nur noch SDL fürs Auto, weil Havelberg kein eigener Landkreis mehr war, sondern nur noch Anhängsel vom Altmarkkreis Stendal. Bei der Autozulassungsstelle, also dem hiesigen Strassenverkehrsamt, müssen die Menschen für die neuen Kennzeichen Schlange gestanden haben wie vor dreissig Jahren wenn's Bananen gab (die allerdings nicht im Strassenverkehrsamt, sondern im Konsum). Mit dem HV am Auto zeigt man: Ich bin Havelberger, und mit dem Landkreis Stendal (der Altmark) hab ich nichts zu tun. Wir dagegen haben noch SDL am Auto. Daran kann man schonmal erkennen, dass wir Grenzgänger sind. Oder Sparfüchse. Momentan hab ich mit meinen Groschen Anderes vor als einen zusätzlichen Verwaltungsvorgang zu finanzieren. Aber merke: Auch hierzulande grenzt man sich gern ab. AG ist nicht ZH und HV ist nicht SDL.
Jetzt die Deutschen: In der Schweiz kennzeichnet man die Orte gewöhnlich mit dem zweistelligen Kürzel des Kantons, in dem sie liegen – das verhindert Verwechslungen. Mir fällt gerade jetzt kein konkreter Ort ein, den es zweimal gibt, aber ich weiss ganz sicher, dass dieser Fall existiert. Ist auch egal. Nein, eine Anmerkung noch: Wenn die Orte dann doch im gleichen Kanton liegen, erfindet man eine andere und dabei zutiefst elegante Lösung. Im Kanton Zürich Dietikon und Dietlikon. Ich kann es mir nicht anders erklären als dass das mit dem L ganz sicher Einzigartigkeit herstellen soll. 
Nun ist der Titel dieses Blogeintrags aber nicht hauptsächlich dazu da, damit ich mich ein bisschen schulmeisterlich aufführen kann. Nein, er hat einen ganz ernsten Hintergrund: Die Schweiz begegnet uns auch hier – so fern sie auch sein mag: Havelberg und die Schweiz sind quasi eins.
Zuerstmal im Fernsehen. Das Haus hat eine Satellitenschüssel auf dem Dach (zum Thema Kabelanschluss hatte ich mich ja bereits geäußert... der Winter ist übrigens doch recht mild, der Holzstapel mithin noch da...). Wir haben ein paar Tage gebraucht, bis wir das mit der Schüssel rausgefunden hatten, aber dann – oho – nach dem Sendersuchlauf die große Überraschung: Wir gucken hier SAT1 Schweiz. Und Kabel 1 Schweiz. Und Pro Sieben Schweiz. Mit, tätäää, Schweizer Werbung. Konkret: Coop Naturaplan, Lipo Möbelmärkte, M&Ms und: Schweizer Frauen mit Verdauungsproblemen und Flecken in der Wäsche. Nei, ich bring dia Fläcke eifach nöd usse. Herrlich. Wir haben noch nicht rausgefunden, woran das Ganze liegt. Muss mal die Nachbarn fragen, ob die dieselben Frauen mit denselben Verdauungsproblemen sehen und hören. Vielleicht liegt's auch an unserem Fernseher, weil der in Schweiz gekauft wurde – und daher Wäschefleckenprobleme nur auf Schwyzerdütsch vermitteln kann.
Und dann gibt's beim Bäcker "Schweizer Knoten" Es handelt sich dabei um ein recht krustiges, fgeflochtenes, rundes und innen luftiges Brötchen. Müsste korrekt eigentlich Schweizer Knopf heissen. Aber da kann ja hier niemand wissen. Oder noch korrekter: Bürli. Kann man wohl nur deshalb nicht so nennen, weil man dann befürchten müsste, dass die Alkis beim "Netto ohne Hund" (das ist der Supermarkt an den der Schweizer Knoten verkaufende Bäcker angegliedert ist) dann immer denken würden, da ist irgendwie Bier drin. Schmecken 1a wie Bürli – und zwar die von der besseren Sorte. Gibts aber nur selten, kürzlich waren keine geliefert worden. Ja, die Schweiz ist halt weit weit weg... 

Dann gibt's auch noch den"Netto" mit Hund im Logo. Dort findet man Schweizer Leckereien gerne mal reduziert, genau wie bei Norma (womit wir die Havelberger Supermarktauswahl jetzt zu drei Fünfteln vorgestellt hätten). Zum Beispiel dunkle Schoki mit Meersalz: Kennt hier keiner, mag hier keiner, die Durchschnittskundschaft vom "Netto mit Hund" schon gar nicht. Sehr gut: Bleibt mehr für uns. Wobei, ähnliche Feinschmecker-Glücksfälle ereigneten sich auch in Altstetten, nur bezogen die sich  nie auf die Schoki mit Meersalz, sondern eher mal auf ein Biohuhn. Da wussten in der direkten Umgebung vom Solidapark wohl nicht soooo viele, wie man das zubereitet. Hier dagegen gibt's erst gar keine Biohühner im Laden, sondern nur direkt vom Hof. So lassen sich derartige Wissenslücken ganz einfach vertuschen. 
Aber auch ein Problem mit Schweiz-Bezug prägt unseren Alltag, und auch dieses ist kulinarischer Natur: Unsere Butterdose, gekauft im Jahr 2000 in einem Lyoner Brocki äh Brocante äh An- und Verkauf harmonierte ganz wunderbar mit dem Schweizer Butterformat. Hierzulande muss man Glück haben und im Netto mit Hund grade den Aktionszeitraum abpassen, in dem es dänische Lurpak-Butter gibt, die passt rein. Kriegt man die nicht, muss man von der langen Seite eines deutschen Butterstücks ca. 1 cm abschneiden, den dadurch entstandenen Streifen teilen und die beiden Teile an den kurzen Seiten wieder anfügen.  Denn, merke: Weder das deutsche noch das Schweizer bzw französische Butterformat sind universal global gültig. Es gibt auch noch das dänische. Nur so als Beispiel.
Kürzlich ereignete sich sogar beim Kinderarzt eine kleine Geschichte mit Schweiz-Bezug. Ich sag zur Sprechstundenhilfe: Ja, äh, unser Untersuchungsheft ist bisschen anders als die, die sie kennen, weil wir sind ja erst wieder zugezogen, aus, äh, ja aus der Schweiz. Haben Sie wahrscheinlich auch nicht täglich, den Fall. --- Also, das kann man so nicht sagen. --- Echt? --- Ja, kürzlich waren auch welche da, die kommen aus der Schweiz wieder, die wollten schonmal nen Termin bei der Ärztin abmachen. 
Da hab ich wirklich große Augen gemacht: Echt jetzt? Da bring ich Ihnen mal eine Karte mit unserer Telefonnummer vorbei. Wenn Sie die in deren Patientenakte legen würden, dann könnten uns diejenigen mal anrufen... Jaja, über Diskretion und wie mit ihr umzugehen ist: Da haben wir was gelernt. Bis jetzt hat das Telefon übrigens noch nicht geklingelt. 
Diese Woche gab's dann allerdings einen Moment, der mich wirklich nostalgisch machte: Ich war für zwei Tage in Leipzig beim "schönsten MDR der Welt" (so sagt das –  natürlich ganz und gar ironiefrei eine Mitarbeiterin von dort) und, grade für die Rückfahrt in den Zug eingestiegen, schaute ich aus dem Fenster auf eine Lok auf dem Nebengleis und darauf prangte ein Luftbild von der Limmat, mit Großmünster, Rathausbrücke und und und. Es stellte sich ein ganz komisches Gefühl ein: So vertraut, so ganz nah und doch eine ganz andere Welt. Irgendwie grad unerreichbar. Zumal der Zug mit Ziel Dresden aus dem Bahnhof rollte.

Eine Anmerkung noch zur Schreibweise in diesem Blog: Oft schreibe ich Doppel-S wo nach hiesiger Sitte ein ß stehen müsste, zum Beispiel Strasse statt Straße. Das hab ich mir in Zürich aus leicht nachvollziehbaren beruflichen Notwendigkeiten heraus so angewöhnt – zumindest beim Tippen. Schließlich wollte ich die liebe Martina R., unsere Korrektorin, nicht unnötig ärgern – und den Christoph R. auch nicht und zwar aus demselben Grund. Von Hand habe ich das aus meiner Sicht wunderbare ß immer beibehalten. Ich gebe mir in diesem Blog (ausnahmsweise) mal keine besondere Mühe und tippe einfach so, wie mir die Buchstaben aus den Fingern hüpfen. Merke: An der wachsenden Zahl der ß kann die Nachwelt  eventuell meine gelingende Re-Integration ablesen. Und als kleine Belohnung für alle, die bis hierhin mitgelesen haben gibt's noch ein schönes Hausfoto, das ich vor einigen Wochen gemacht habe, als kurz Schnee lag. Ich danke für die Aufmerksamkeit! 

 

Dienstag, 3. Februar 2015

DSL, milde Winter und der Osten

Ich schrieb ja kürzlich ganz euphorisch, dass es hier DSL gibt. Das ist tatsächlich keine Selbstverständlichkeit; legendär ist die Geschichte wie die Schwiegereltern vor ein paar Jahren von Telefonladen zu Telefonladen rannten und sich immer wieder das selbe Gespräch abspielte: Wir hätten gern schnelles Internet. - Gut, sehr gerne. Mobil oder stationär? - Also, daheim, äh, stationär. - Wo wohnen Sie denn? - Iden. - Uh, Iden? Gaaanz schlecht. Nee, Iden is ganz schlecht. Geht nich. Iden geht wirklich gar nich. - Na denn, schön' Tach noch.
Schlussendlich schaffte es ein findiger Angestellter einer Firma dann doch, mit einer Antenne vom Dach auf einen etwa 10 Kilometer entfernten Mobilfunkmast zu peilen und damit erträgliche Surfgeschwindigkeiten ins Haus zu holen. Funktionierte aber nur bei gutem Wetter und überhaupt auch nur, weil das Haus ganz am Ende vom Dorf steht und man quasi zum Mast-Standort eine Art Funkschneise hat. Ja, auch Internet kann Luxus sein. Das Gute ist: Es geht doch was voran und mittlerweile gibt's auch in Iden DSL. Aber das gehört eigentlich gar nicht hierher. Denn schliesslich gibt es in Havelberg ja DSL, wie wir wissen.
Am neuen Domizil noch ohne Anschluss nutzte ich also für einen Tag die Recherchemöglichkeiten bei den Schwiegereltern und entschied mich für Kabel Deutschland. Da darf man online abfragen, ob ein Anschluss an einer bestimmten Adresse möglich ist und dann vermeldet ein Fensterchen, dass quasi alles wunderbar gelingen wird und man im besten Falle gleich eine Installationskiste geschickt kriegt, die muss man dann nur noch einstöpseln usw. Feine Sache. Aber es kam kein Paket, sondern ein Anruf: Ende Januar käme dann ein Techniker und der würde alles installieren. Gut, wir üben uns also in Geduld. Zwischenzeitlich waren die Nachbarn von obendrüber so lieb, uns ihr Passwort fürs WLAN zu überlassen. Unkompliziert, gleich, sofort - ist doch klar, da muss man helfen. Das ist eben der Osten. Wobei, auf diese Erkenntnis bin ich nicht selber gekommen (schliesslich war es in der Saumackerstrasse auch so...), ein Freund aus Stuttgart brachte mich drauf. Und wißt Ihr was: Er hat Recht. Ich habs dann dem Nachbarn wieder erzählt. Der war auch einverstanden.
Der lang erwartete Techniker zog schon gleich die Stirn kraus: Es habe schonmal einen Auftrag für einen Anschluss hier im Haus gegeben, das sei aber gescheitert. Ui, nein. Bitte nicht. Wo denn hier die Telekomanschlüsse ins Haus kämen. Wir suchten. Im Keller. Nee. Dann da neben der Hauseingangstüre im Flur. Ja, da steht Post drauf. Aber nix drin. Hmmm. Kommt die Nachbarin von unten aus der Wohnungstüre, Frau B. Dazu eine kurze Anmerkung: Frau B, eine Dame von unschätzbarem, aber auf alle Fälle älterem Alter und meistens in grauem Joggingpulli auftretend, weiß scheinbar nicht so recht, wie sich ihr eigener Name schreibt: Auf dem Postkasten steht er mit einem "i" nach dem B, auf dem Klingelschild, fixiert mit Transparentpflaster, mit "e". Auf dem Türschild steht er zwar auch mit "e", aber da geht er hinten anders weiter als auf den anderen Schildern. Man sollte aber Mitleid mit Frau B. haben: Ihr Name ist eine recht komplizierte Abfolge von wenigen Vokalen und vielen Konsonanten. Da haben wir selber es wirklich leichter.
Egal. Frau B. mit "e" oder "i" sagt: Ja, der Anschluss der liegt draussen, links neben der Haustüre, quasi auf der anderen Seite der Mauer. - Aber da ist doch...? - Richtig, da ist der Brennholzstapel der Nachbarn. - Und den kann man doch nicht einfach? - Nee, sagt der Installateur, da bräuchte man dann schon die Erlaubnis und so weiter.



Ui, das klingt kompliziert. Und mal angenommen, man könnte dann von dort aus den Anschluss und so weiter? - Ja, dann würde man ein Kabel durch den Hausflur hoch in die Wohnung ziehen. Aufputz natürlich.
Ich winke ab. Kann er vergessen. Ist mir zu kompliziert. Und ausserdem wirklich schade um den Hausflur. Danke, ich geh zu Vodafone.
Nachmittags wild entschlossen im Vodafone-Laden am Marktplatz. Ich tippe auf das M-Paket in einer DSL-Broschüre. Bitte einmal das hier. - Ihre Adresse? Aber da geht doch Kabel Deutschland, da braucht man doch kein Vodafone. Die Nachbarn links daneben haben doch auch alle Kabel Deutschland... - Nee, geht nicht. Der Anschluss liegt hinterm Holzstapel und wenn dieser Winter so mild bleibt, dann kommen wir vor Februar 2016 wohl nicht da ran. Nee, Scherz beiseite: Ist zu kompliziert. Lieber normales DSL. - Gut, mach mer. Ahhh, nee. Geht nicht. - Bitte? - Nee, geht nicht. In dem Haus geht nur ein Mal DSL, und das haben schon die obendrüber. - Ok. Ok. Äh, ich red mit denen. Ok. Ok. Vielleicht können wir da weiter mitsurfen. - Ja, das macht ruhig. Hier geht halt nicht mehr. Die Telekom hat damals die Netze nicht besser ausgebaut. Aber so gehts ja auch.
Nachmittags erzählt mir der Gatte, dass er auch schon von Leuten aus Havelberg gehört hat, die quasi drauf warten, dass einer der Nachbarn stirbt, damit sie endlich DSL haben können. Und das bei den Demografieprognosen...
Nun wird es so werden, dass wir uns DSL mit den Nachbarn von oben teilen, und dass wir wohl auch Ihre Festnetznummer haben können. Die wollten sie gar nicht, mussten sie aber mit DSL mitkaufen, wie das heut halt so ist. Wir gehn dann am Montag nochmal zusammen zu Vodafone zum Runterinstallieren vom Festnetz. Hier kennt man sich eben aus mit Mangelwirtschaft und dass man aus derartigen Knappheiten nicht etwa Problem macht, sondern eine Tugend: So kostet's für alle weniger. 
Bei Vodafone vom Sven (den kenn ick damit jetz ooch) dann die Auskunft: Am einfachsten isses, ihr hängt oben an den Anschluss n Telefon mit zwee Mobilteilen dran, und leecht das oben denn tot, so dasset nich klingelt. Und mit dem unten telefoniert ihr denn. Verstehste? Die Dinger krichste drüben bei Euronics schon für neununddreis-sch Euro. Dit kost nicht viel.
Ich also rüber zu Euronics. Ich hätt gern ein Telefon mit zwei Mobilteilen. Aber bitte in weiß. --- Oh, da kann ich Ihnen nicht helfen. Die Anfrage hab ich nur einmal im Jahr. Dis is zwar schön, wenn man seine Wohnung so designmäßig einrichten will, aber sowat jeht in Klein-Havelberg nich. 
Ich freu mich also, dass ich sozusagen die Kundin des Jahres bin, wünsche einen schönen Tag und kaufe --- sorry --- im Internet ein Zusatzmobilteil zu unserem Schweizer Gerät. Mal gucken, ob das hier funktionert; oder ob sich das irgendwann weigert, wenn zu viel Hochdeutsch gesprochen wird...
An der Sache mit dem Holzstapel gibt es aber noch einen gewaltigen Haken: Ich hatte auf unsere Neujahrskarten unsere - von Kabel Deutschland zugeteilte - Festnetznummer geschrieben. Die stimmt nun natürlich gar nicht. Inzwischen hab ich eine, die ist an mein Handy gekoppelt. Und hier ein kleines Rätsel zu eben dieser Nummer, ich will sie schliesslich nicht im Klartext im Internet veröffentlichen: Vorwahl von Havelberg: 039387 ... und dann folgen insgesamt sechs Ziffern. Zuerst: Unsere Hausnummer in der Saumackerstrasse +2, dann die mittleren zwei Ziffern des Jahres, in dem wir geheiratet haben, zuletzt: die beiden durch ein x ersetzten Ziffer meiner alten Schweizer Handynummer 076 x3x 49 19. Mal schauen, wer zuerst hier anruft :-)




Montag, 26. Januar 2015

Vor Aufbau kommt Abriss

Jeden Tag passiert so viel, dass ich einfach nicht dazu komme, alles aufzuschreiben. Und während ich etwas aufschreibe, passiert nichts - oder nicht so viel. Kann man so also kurz die Zeit anhalten, ohne dass man hinterher wieder endlos Dinge aufholen muss?
Egal, gestern rollte mal wieder ein LKW auf den Hof - oder zumindest fast. Denn das Tor ist immernoch nicht breiter und so passte grad so die Schuttmulde alleine durch. Eine Teilschuld an den engen Verhältnissen trägt die historische Strassenlampe, die am Nachbarhaus befestigt ist. An ihr scheitern die Einfahrtversuche grösserer Fahrzeuge regelmässig. Havelberg hat übrigens noch viele dieser Lampen; von der Küche aus schauen wir auch auf eine.


Nach einem Tag ist die Mulde jetzt fast voll - obwohl fast zwischenraumfrei gefüllt dank F.'s Augenmass. Der Inhalt: rund 100 Quadratmeter 70er-Jahre Deckenverkleidungen aus dem EG (Sprelacart und Pressspanplatten), 70er-Jahre wirklich hässliche Einbauschränke (ebenfalls Pressspanplatten), 90er-Jahre vollflächig verklebter Nadelfilzfussboden und kleinere Mengen diverser Bauschutt. Wir haben das alles selbst herausgerissen - oder fast selbst: Es ist wirklich unglaublich, wie unerschrocken F.'s Eltern hier zupacken. Sie kommen zweimal die Woche morgens über die Elbe gefahren, haben Arbeitshosen und -handschuhe dabei, heissen Tee, Trockenfrüchte und Kekse. An dieser Stelle: Ein dreifach Hoch auf die beiden!
Beim Abreissen bleibt nicht aus, was alle lang erwartet haben: Wir sehen das Ausmass der Schäden, die das Haus versteckt hält. Hier und da mampft sich der Holzwurm genüsslich an den Balken entlang, da und dort sind Ecken feucht und krumm und schief sind die Wände ohnehin. Und einer von uns beiden sagt dann immer wieder: "Los, komm, wir geben das Haus zurück!" Nein, das meinen wir (noch) nicht ernst (oder nur manchmal ein bisschen). Es tut gut, mit F. zusammen etwas anzupacken und gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln. Zusammen an einem Stück Nadelfilzboden zu reissen, eine Schuttmulde zu füllen. Er hat mir ein paar wirklich schöne Arbeitshandschuhe gekauft. Ehrlich: Ich hab mich gefreut. Sehr.
Hier und da kommen neben den gefürchteten Schadstellen auch kleine Freuden ans Licht: Alte Farbanstriche; ein liebliches Lavendel, ein ruhiges Taubenblau wie wir es im Esszimmer in der Saumackerstrasse hatten. Zuletzt schleimte die Palette der Farben im Haus zwischen dem Dunkelbraun des Nadelfilzbodens und einem gar nicht appetitlichen Cappucchinobeige hin und her. Diese kleinen Farbflächen lassen mich ahnen, wie das Haus später sein kann: Ehrliche Farben, die auf weissem Grund leuchten, dazu Sonne und ein laues Lüftchen. 

Aber davon, naja, klar, sind wir weit weit weg. Heute vormittag waren wir beim Bürgermeister, der uns in seiner Stadt herzlich willkommen hieß und wohl auch bereit ist, uns nach besten Möglichkeiten zu unterstützen. Und er hat uns Mut gemacht: Bislang hätten hier alle, die sich wirklich persönlich engagiert haben und nicht etwa versucht, von weit weg eine Sanierung anzupacken, die Sache auch hinbekommen. Gut hinbekommen. Und er glaube, wir würden es auch schaffen. Das muss man sich mal denken: Da sitzen wir zwei kleinen Lichter in seinem Büro und er sagt nicht etwa: Was wollt denn Ihr? Sondern: Ihr schafft das! Na, dann versuchen wir mal, ihm das zu glauben.

Samstag, 10. Januar 2015

Januarstürme

Das neue Jahr fing so an, wie das alte aufhörte: Kistenräumen. Ja, wir haben eine neue Wohnung; und dass es so gekommen ist, war – zumindest für hiesige Verhältnisse – mit ganz schönem Zähneklappern verbunden. Wir hatten nur einen vom Vermieter aus dem Gedächtnis gezeichneten Grundriss gesehen, dazu ein paar verwackelte Fotos und der Eigentümer wusste im Endeffekt auch nicht mehr sooo genau, ob nun eine Waschmaschine in der Wohnung ist oder nicht. Was mich schockiert hat: Hier ist es scheinbar unüblich, dass man noch bewohnte Wohnungen besichtigen kann. Wir mussten mit dem Anschauen also warten, bis die Vormieterin raus war. Ob sie wirklich ausziehen würde, war dabei bis zum letzten Tag nicht so ganz klar – denn sie hatte eigentlich auf Ende November (!) gekündigt, war dann aber doch nicht ausgezogen; das sollte erst Ende Dezember passieren. Kurz und gut: Für den 29. Dezember abends war ein Besichtigungstermin abgemacht, mit der Option auf sofortige Schlüsselübergabe. Das ist sicher nichts für zartbesaitete Gemüter; aber wer den Zürcher Wohnungssituation gewohnt ist, kommt bestens gerüstet da durch. Pah! Mir schlotterten den gesamten 29. über die Knie, wie das werden würde. Aber es wurde gut. Nun wohnen wir in einer Dreizimmerwohnung mit Havel- und Hafenblick in der Bahnhofstrasse; laufen über Dielen aus Ulme und Kiefer und haben festgestellt, dass man auf dem originalen Terrazzoboden in der Küche den Dreck einfach nicht sieht. Das spart die Putzfrau. 



Achja, und allein die Flügeltüren der Wohnung sind so hoch wie die Decken in der Saumackerstrasse. Bis zur Zimmerdecke ist's dann nochmal ein Meter. Alle Zimmer sind Durchgangszimmer, wir können also permanent einen Kreislauf veranstalten. Dazu gibt’s in den beiden äusseren zusätzlich zur Heizung einen DDR-Kachelofen; nicht besonders effizient, aber vorhanden und damit heizbar, wenn mannur genug Holz einsetzt. Das macht's dort muckelig warm. Wirklich eisig ist es dagegen in unserem Schlafzimmer, das (natürlich ästhetisch anspruchsvoll abgetrennt, hehe!) in einem Erker auch eine Büroecke beherbergt. Und besonders kalt ist es genau in dieser Ecke. Das hängt ist bedingt dadurch, dass 1. der Raum keinen Ofen hat, 2. der Erker – wie das Bauteile seiner Art nunmal tun – in den Strassenraum vorkragt und 3. seit Tagen ein ekliger Sturm die Strasse runterfegt, entweder in Ost-West-Richtung oder wahlweise andersrum. Preisfrage: In welcher Himmelsrichtung  verläuft der Erker? 






Egal, mit Armstulpen und einem Schaffell auf dem Stuhl ist's erträglich. Nun sitze ich hier und versuche, die intelligenteste Lösung für einen Internetanschluss zu finden. Die am wenigsten intelligente hab ich schon getestet: Surfen über einen privaten UMTS-Hotspot, vor allem als Überbrückung, bis wir „richtiges Internet“ haben. Ich hatte eine SIM bestellt, mit der man mobil 2 GB im Monat Highspeed surfen kann. Aber so schnell, wie die surft, brauche ich aber locker fünf Wochen, um die 2 GB Volumen zu erreichen. In zweieinhalb Stunden habe ich es geschafft, bei Dauerbetrieb, knapp 10 MB zu bewegen. Der Kurzschluss: Die Karte geht wieder zurück; hat zum Glück nur einen Monat Vertragslaufzeit. Muss mal bei den Nachbarn obendrüber fragen, wie die das Internet-Problem gelöst haben. Es gibt in Havelberg nämlich DSL!!!