Montag, 26. Januar 2015

Vor Aufbau kommt Abriss

Jeden Tag passiert so viel, dass ich einfach nicht dazu komme, alles aufzuschreiben. Und während ich etwas aufschreibe, passiert nichts - oder nicht so viel. Kann man so also kurz die Zeit anhalten, ohne dass man hinterher wieder endlos Dinge aufholen muss?
Egal, gestern rollte mal wieder ein LKW auf den Hof - oder zumindest fast. Denn das Tor ist immernoch nicht breiter und so passte grad so die Schuttmulde alleine durch. Eine Teilschuld an den engen Verhältnissen trägt die historische Strassenlampe, die am Nachbarhaus befestigt ist. An ihr scheitern die Einfahrtversuche grösserer Fahrzeuge regelmässig. Havelberg hat übrigens noch viele dieser Lampen; von der Küche aus schauen wir auch auf eine.


Nach einem Tag ist die Mulde jetzt fast voll - obwohl fast zwischenraumfrei gefüllt dank F.'s Augenmass. Der Inhalt: rund 100 Quadratmeter 70er-Jahre Deckenverkleidungen aus dem EG (Sprelacart und Pressspanplatten), 70er-Jahre wirklich hässliche Einbauschränke (ebenfalls Pressspanplatten), 90er-Jahre vollflächig verklebter Nadelfilzfussboden und kleinere Mengen diverser Bauschutt. Wir haben das alles selbst herausgerissen - oder fast selbst: Es ist wirklich unglaublich, wie unerschrocken F.'s Eltern hier zupacken. Sie kommen zweimal die Woche morgens über die Elbe gefahren, haben Arbeitshosen und -handschuhe dabei, heissen Tee, Trockenfrüchte und Kekse. An dieser Stelle: Ein dreifach Hoch auf die beiden!
Beim Abreissen bleibt nicht aus, was alle lang erwartet haben: Wir sehen das Ausmass der Schäden, die das Haus versteckt hält. Hier und da mampft sich der Holzwurm genüsslich an den Balken entlang, da und dort sind Ecken feucht und krumm und schief sind die Wände ohnehin. Und einer von uns beiden sagt dann immer wieder: "Los, komm, wir geben das Haus zurück!" Nein, das meinen wir (noch) nicht ernst (oder nur manchmal ein bisschen). Es tut gut, mit F. zusammen etwas anzupacken und gemeinsam die Ärmel hochzukrempeln. Zusammen an einem Stück Nadelfilzboden zu reissen, eine Schuttmulde zu füllen. Er hat mir ein paar wirklich schöne Arbeitshandschuhe gekauft. Ehrlich: Ich hab mich gefreut. Sehr.
Hier und da kommen neben den gefürchteten Schadstellen auch kleine Freuden ans Licht: Alte Farbanstriche; ein liebliches Lavendel, ein ruhiges Taubenblau wie wir es im Esszimmer in der Saumackerstrasse hatten. Zuletzt schleimte die Palette der Farben im Haus zwischen dem Dunkelbraun des Nadelfilzbodens und einem gar nicht appetitlichen Cappucchinobeige hin und her. Diese kleinen Farbflächen lassen mich ahnen, wie das Haus später sein kann: Ehrliche Farben, die auf weissem Grund leuchten, dazu Sonne und ein laues Lüftchen. 

Aber davon, naja, klar, sind wir weit weit weg. Heute vormittag waren wir beim Bürgermeister, der uns in seiner Stadt herzlich willkommen hieß und wohl auch bereit ist, uns nach besten Möglichkeiten zu unterstützen. Und er hat uns Mut gemacht: Bislang hätten hier alle, die sich wirklich persönlich engagiert haben und nicht etwa versucht, von weit weg eine Sanierung anzupacken, die Sache auch hinbekommen. Gut hinbekommen. Und er glaube, wir würden es auch schaffen. Das muss man sich mal denken: Da sitzen wir zwei kleinen Lichter in seinem Büro und er sagt nicht etwa: Was wollt denn Ihr? Sondern: Ihr schafft das! Na, dann versuchen wir mal, ihm das zu glauben.

Samstag, 10. Januar 2015

Januarstürme

Das neue Jahr fing so an, wie das alte aufhörte: Kistenräumen. Ja, wir haben eine neue Wohnung; und dass es so gekommen ist, war – zumindest für hiesige Verhältnisse – mit ganz schönem Zähneklappern verbunden. Wir hatten nur einen vom Vermieter aus dem Gedächtnis gezeichneten Grundriss gesehen, dazu ein paar verwackelte Fotos und der Eigentümer wusste im Endeffekt auch nicht mehr sooo genau, ob nun eine Waschmaschine in der Wohnung ist oder nicht. Was mich schockiert hat: Hier ist es scheinbar unüblich, dass man noch bewohnte Wohnungen besichtigen kann. Wir mussten mit dem Anschauen also warten, bis die Vormieterin raus war. Ob sie wirklich ausziehen würde, war dabei bis zum letzten Tag nicht so ganz klar – denn sie hatte eigentlich auf Ende November (!) gekündigt, war dann aber doch nicht ausgezogen; das sollte erst Ende Dezember passieren. Kurz und gut: Für den 29. Dezember abends war ein Besichtigungstermin abgemacht, mit der Option auf sofortige Schlüsselübergabe. Das ist sicher nichts für zartbesaitete Gemüter; aber wer den Zürcher Wohnungssituation gewohnt ist, kommt bestens gerüstet da durch. Pah! Mir schlotterten den gesamten 29. über die Knie, wie das werden würde. Aber es wurde gut. Nun wohnen wir in einer Dreizimmerwohnung mit Havel- und Hafenblick in der Bahnhofstrasse; laufen über Dielen aus Ulme und Kiefer und haben festgestellt, dass man auf dem originalen Terrazzoboden in der Küche den Dreck einfach nicht sieht. Das spart die Putzfrau. 



Achja, und allein die Flügeltüren der Wohnung sind so hoch wie die Decken in der Saumackerstrasse. Bis zur Zimmerdecke ist's dann nochmal ein Meter. Alle Zimmer sind Durchgangszimmer, wir können also permanent einen Kreislauf veranstalten. Dazu gibt’s in den beiden äusseren zusätzlich zur Heizung einen DDR-Kachelofen; nicht besonders effizient, aber vorhanden und damit heizbar, wenn mannur genug Holz einsetzt. Das macht's dort muckelig warm. Wirklich eisig ist es dagegen in unserem Schlafzimmer, das (natürlich ästhetisch anspruchsvoll abgetrennt, hehe!) in einem Erker auch eine Büroecke beherbergt. Und besonders kalt ist es genau in dieser Ecke. Das hängt ist bedingt dadurch, dass 1. der Raum keinen Ofen hat, 2. der Erker – wie das Bauteile seiner Art nunmal tun – in den Strassenraum vorkragt und 3. seit Tagen ein ekliger Sturm die Strasse runterfegt, entweder in Ost-West-Richtung oder wahlweise andersrum. Preisfrage: In welcher Himmelsrichtung  verläuft der Erker? 






Egal, mit Armstulpen und einem Schaffell auf dem Stuhl ist's erträglich. Nun sitze ich hier und versuche, die intelligenteste Lösung für einen Internetanschluss zu finden. Die am wenigsten intelligente hab ich schon getestet: Surfen über einen privaten UMTS-Hotspot, vor allem als Überbrückung, bis wir „richtiges Internet“ haben. Ich hatte eine SIM bestellt, mit der man mobil 2 GB im Monat Highspeed surfen kann. Aber so schnell, wie die surft, brauche ich aber locker fünf Wochen, um die 2 GB Volumen zu erreichen. In zweieinhalb Stunden habe ich es geschafft, bei Dauerbetrieb, knapp 10 MB zu bewegen. Der Kurzschluss: Die Karte geht wieder zurück; hat zum Glück nur einen Monat Vertragslaufzeit. Muss mal bei den Nachbarn obendrüber fragen, wie die das Internet-Problem gelöst haben. Es gibt in Havelberg nämlich DSL!!!